Die Ära der Familie von Rumohr                                                  1789 - 1832

 
      











Das Wappen der Familie von Rumohr


Mit dem Geschlecht von Rumohr aus Angeln scheint wieder eine fremde Familie Bliestorf zu übernehmen, die dieses Gut nur aus spekulativen gründen erwirbt.  Doch bei näherer Untersuchung stellt sich heraus, dass der neue Eigner, Henning von Rumohr I.,  ein Großneffe Tomas Heinrich von Wickedes (*1659), Erbherr auf Bliestorf ist. Stammvater der Bliestorfer von Rumohr ist Christian August I. (* 01.08.1690, † Schleswig 01.03.1743). Dieser ist seit dem 28.07.1716 mit Agnete Cäcilia geborene von Wickede (*27.06.1700, † 24.06.1723)  Tochter des Johann von Wickede (*1664 ) verheiratet.

  Henning von Rumohr (*1722, † 1804)
um 1802; Gemälde von Friedrich Carl Gröger (*1766, † 1838)


Henning von Rumohr, * 16.05.1722, † Lübeck 05.07.1804. Landrat, Herr auf Ohrfeld und Oehe in Schleswig; Muggesfelde in Holstein; Trenthorst, Wulmenau, Schenkenberg, Rothenhausen, Bliestorf, Grienau, Krempelsdorf und dem Seniorat Groß Steinrade (1775-1804) bei Lübeck und Reinhardsgrimma bei Dresden. Er war 1738 Fähnrich im jüttisch geworbenen Infanterie Regiment und 1739 Seconde-Leutnant. 1742 erhielt er dort seinen Abschied. Ein Jahr später, 1743 erbte er von seinem Onkel Friedrich von Rumohr das Gut Ohrfeld. Aus dem Nachlaß des Konferenzrates von Königstein kaufte er das Gut Oehe für 40.000 Rthl.

Henning von Rumohr hob im Jahre 1765 als einer der ersten Gutsbesitzer in Schleswig die Leibeigenschaft auf seinem Gut Ohrfeld auf. Er verkaufte 1773 die Güter Ohrfeld und Oehe an den Kanzleirat Hansen und besaß ab 1766 das Gut Muggesfelde in Holstein. Nach dem Tod seines Bruders Christian August I. erbte er das Seniorat Groß Steinrade bei Lübeck. 1778 verkaufte er das Gut Muggesfelde und kaufte dafür die Güter Trenthorst, Wulmenau, Schenkenberg, Rothenhausen, Bliestorf, Grinau und Krempelsdorf bei Lübeck.

Um 1780 erwarb er dazu noch das Gut Reinhardsgrimma bei Dresden und lebte dort bis 1785. Er war Sachsen-lauenburgischer Landrat. Für Henning von Rumohr und seine zweite Frau Wilhelmine von Fersen wurde eine Gruft in der Krummesser Kirche eingerichtet, in welcher auch beide begraben wurden. Leider ist diese Gruft bei Reno­vie­rungs­arbeiten abgerissen bzw. zu einem Heizungsraum umfunktioniert worden. So das es heute keine Begräbnisstätte dieses Ehepaares mehr gibt. Seine Kinder und Kindeskinder, mit Ausnahme von Carl Friedrich, sind auf dem Friedhof von Klein-Wesenberg begraben. Die Grabstätten sind noch heute zu sehen.

1. ∞ Kiel 22.02.1749 mit Ida Wilhelmine von Buchwaldt, *1726, † 1761; Tochter des Friedrich Christian von Buchwald, Herr auf Helmstorf und Nehmten und der Dorothea von Rumohr, aus dem Hause Düttebüll.


 
 Wilhelmine von Rumohr (*1751, † 1807); Portrait von Jens Juel (*1745, † 1802) dänischer Mahler



2. ∞ Celle 1766 mit Wilhelmine Caroline Dorothea Johanne Baronin von Fersen,   *13.04.1751, † Lübeck 10.03.1807; Deutsch-Baltin, Tochter des Joachim Heinrich Baron von Fersen, Oberst, und der Charlotte Freiin von Münchhausen.


Kinder aus zweiter Ehe :

1. Wilhelmine Dorothea Caecilie Johanne    
* Muggesfelde 06.02.1770, † Groß Königsförde 21.07.1802    
oo Wesenberg 1789 mit Wulf Christopher von Ahlefeldt, * Berlin 22.10.1761, † Lindau 04.03.1840, Geheimer Konferenz­rat, Klosterprobst und Herr auf Lindau und Groß Königsförde

2. Friederike Ulrike, * 01.10.1773, † Uetersen, Kloster 03.08.1837, begraben Uetersen, Klosterkirchhof. Sie war 1795 Kon­ven­tualin im Kloster Uetersen und lebte meistens bei ihrem Bruder Carl Friedrich auf dem Gut Rothenhausen, den sie selbst bewirtschaftete.

3. Antoinette Charlotte Henningia, * Hamburg 03.03.1776, † Leipzig 04.01.1842.    
oo Krummesse 01.12.1797 mit Friedrich Philipp Adolf Freiherr von Münchhausen, * 18.08.1765, † 17.12.1814, kgl. hannoverscher Justizrat, Herr auf Steinburg und Bettensen.

4. Henning Heinrich, * 11.03.1778, † Lübeck 31.12.1837, begraben Krummesse. ff s.u.

5. Christine Catharine Ernestine (gen. Kitty), * 27.01.1780, † ... 1830. Herrin auf „Kitty Hill“. Sie war Konventualin im Kloster Uetersen. Sie erbte einen Hof vom Gut Trenthorst der Kitty Hill genannt wurde. Heute heißt der Hof Fräuleinberg.

6. Amalie Caroline Philippine, * 17.04.1782, † 02.05.1855. Sie war bereits 1795 Konventualin des Klosters Itzehoe.
oo 30.05.1805 mit Friedrich Ernst August Freiherr von dem Busche, * 24.08.1776,
† 30.07.1816, kgl. hannoverscher Major im lüneburgischen Husaren-Regiment Clamor, Herr auf Krummesse, Gutsherr auf Kastorf 1797-1801, Dötzingen und Völksen. Er wurde 1793 mit dem Gut Dötzingen und 1806 mit dem Gut Völksen belehnt.

  
 Friederike Ulrike von Rumohr  (*1773, † 1837)  Christine Catharine Ernestine von Rumohr, gen. Kitty), (*1780, † 1830)



7. Carl Friedrich Ludwig Felix, * Reinhardsgrimma 06.01.1785, † Dresden 25.07.1843, begraben in Dresden, Neustädter Friedhof. Schriftsteller, Kunsthistoriker, Kammerherr, Herr auf Bliestorf, Schenkenberg, Rothenhausen und Krempelsdorf und dem Seniorat Groß Steinrade (1839-1843). Er besuchte das Gymnasium in Holzminden und die Univer­sitä­ten in Göttingen und Heidelberg. Erbte nach dem Tod seines Vaters Henning 1804 die Güter Bliestorf, Schenken­berg, Rothenhausen und Krempelsdorf. Reiste 1804 nach Rom und Neapel. Lebte alsdann in München und später in Rothenhausen. 1808 bis 1809 lebte er in der Nähe von Erfurt, dann in Böhmen und wieder in München. Anschließend wieder in Rothenhausen. Seine zweite Reise nach Italien machte er 1816 bis 1822. Dannach lebte er wieder in Rothenhausen. Reiste 1828 zum dritten Mal nach Italien. Lebte nach seiner Rückkehr erst in Rothenhausen und ab 1831 in Dresden und Wachwitz. 1834 wurde er dänischer Kammerherr. Er reiste 1837 bis Ende 1838 in die Lombardei und lebte darauf abwechselnd in Rothenhausen und in Kopenhagen. Im Winter 1840 lebte er in Venedig. Winter 1841 bis 1842 wieder in Kopenhagen. 1842 verkaufte er das Gut Rothenhausen und zog nach Lübeck. Lebte dann Winter 1842 bis 1843 in Berlin. Auf einer Reise nach Böhmen im Juli 1843 starb er „beim Frühstück“ in Dresden. Sein Freund, König Christian VIII. von Dänemark, ließ durch den Baumeister Gottfried Semper (Semper Oper) ihm ein Gedenkstein auf dem Neustädter Friedhof bei Dresden errichten. Er blieb unvermählt. Er wurde berühmt als Kunsthistoriker und Kunstforscher. Sein Hauptwerk sind die „Italienischen Forschungen“(1827-1831). Weitere Werke wie „Deutsche Denkwürdigkeiten“(1832), „Erinnerungen“(1832), „Reisen in die Lombardei“(1838) und „Schule der Höflichkeit“ und besonders „Vom Geist der Kochkunst“(1822) hinterließen ein vielbeachtetets Werk seines Schaffens, welches noch heute für die Begründung der deutschen Kunstwissenschaft von großer Bedeutung ist. (Vgl. Biographie C. F. v. Rumohr, Schulz, 1844)

Henning Heinrich von Rumohr  (*1778, † 1837)
Rittmeister, Herr auf Trenthorst, Wulmenau, Bliestorf und dem Seniorat Groß Steinrade (1804-1837). Er besuchte von 1794 bis 1796 die Ritterakademie in Lüneburg. Machte die franz. Feldzüge als Rittmeister im Estorff´schen Husarenregiment mit. 1799 war er Kornett á la suite im Leibregiment der Dragoner und im Cavallerie Regiment, Itzehoe. Erhielt 1801 seinen Abschied als Seconde-Leutnant. Er erbte nach dem Tod seines Vaters Henning 1804 die Güter Trenthorst, Wulmenau, Bliestorf und Groß Steinrade. 1815 richtete er eine Vorstellung an den König von Dänemark, um Wiederherstellung der seinen Gütern erteilten reichsunmittelbaren Rechte und Freiheiten, welche von 1529 bis 1778 von Däne­marks Königen und Holsteins Herzögen garantiert, auch in der Bundesakte unter den wiederauflebenden ständischen Rechten begriffen waren. 1816 richtete er ein Schreiben gleichen Inhalts an Falck. 1831 ging er mit einer Anzahl Leuten seiner Güter nach Amerika, um dort einen neuen Besitz zu begründen, kehrte indes bald zurück. Er wohnte dann zunächst in Liestal in der Schweiz und später wieder auf Trenthorst. 1832 erging ein Proklam über sein Vermögen.    
oo Schloß Bothmer 12.10.1803 mit Wilhelmine Georgine Freiin von Bothmer,
* Traventhal 29.01.1778, † Lübeck 14.04.1818; Tochter des Hans Caspar Graf von Bothmer, Oberhofmeister und Oberpräsident in Kiel, Herr auf Bothmer und der Margarethe Eleonore Gräfin von Schweinitz. Ihr Portrait hängt im Schloß Rüdenhausen (Nr. 157) s.u..
Kinder:
1. Wilhelmine Caroline, * 24.09.1804, † 07.04.1814, Exsp. des Kloster Itzehoe sowie Kloster Preetz (!) 1808.  
 
2. Friederike Mathilde Sophie Wulfhilde, * Trenthorst 13.10.1806, ~ Klein Wesenberg 07.12.1806, † Trenthorst 27.07.1894, begraben Klein Wesenberg. Herrin auf Trenthorst und Wulmenau. Sie war 1826 Konventualin im Kloster Itzehoe. Sie erbte nach dem Tod ihres Vaters Henning Heinrich 1837 die Güter Trenthorst und Wulmenau.
oo 27.05.1837 mit Gustav Poel, * Altona 17.11.1804, † Trenthorst 16.04.1895, Kanzleirat und Bürgermeister von Itzehoe, später (nach 1894) Herr auf Trenthorst und Wulmenau.

3. Charlotte Ernestine Johanne, * Bliestorf 28.08.1808, † Trenthorst 28.04.1865, konf. Kl. Wesenberg. Exsp. des Kloster Itzehoe und dort 1826 Konventualin. Sie blieb unvermählt.

4. Henning Felix, * 23.10.1810, † 29.06.1811.

5. Henriette Henningia, * 09.06.1813, † ... 1831.


Weitere Namensträger* dieser Linie sind nicht bekannt. Mit Henning Heinrichs († 1837) Nachkommen erlosch diese wohlhabende Linie im Mannesstamm. Aus der nur über zwei Generationen herangewachsenen Familie erhielt die gesamte Familie Rumohr mit dem Kunsthisthoriker Carl Friedrich von Rumohr einen ihrer bedeutensten Familienmitglieder. Seine zahlreichen Werke prägten den Beginn der deutschen Kunstwissenschaft. Die von Carl Friedrich Gröger gemalten Porträts von Carl Friedrich und seinen Schwestern, sowie seines Vaters schmücken noch heute das Drülter Haus.

Auf dem Friedhof in Wesenberg befindet sich neben den Grabsteinen von Friederike Poel, geb. von Rumohr († 1894) und Charlotte von Rumohr († 1865) ein Grabstein mit der Aufschrift „Dorette Louise v. Rumohr, geb. in Gr. Schenkenberg den 10. Dez. 1804, gest. zu Trenthorst den 18. Juni 1887“. Dorette wird auch häufig in Briefen in Zusammenhang mit ihren Schwestern Friederike und Charlotte und ihrem Onkel Carl Friedrich von Rumohr († 1843) erwähnt. Sie ist eine nicht ligitime Tochter aus einer Beziehung des Henning Heinrich von Rumohr († 1837) mit einer Frau Reehtlich. Der Sterbeeintrag aus dem Bestattungsbuch der Kirchengemeinde Klein Wesenberg lautet:“Reehtich, Dorette Luise, wohnhaft gewesen in Trenthorst, uneheliche Tochter des Gutsherrn von Rumohr auf Trenthorst, geboren 1804."

Henning von Rumohr (1722 - 1804)  (lauenburgischer Landrat) auf Rothenhausen aus der Rundhofer Linie erbte Groß Steinrade durch Fideikommiß von der Familie von Wickede und kaufte 1778 Trenthorst .1789 dann Bliestorf und 1790 einen Teil Grinaus.



Die erste Schönheit unserer Gegend

Aus “Bilder aus Karl Sievekings Leben” 1787-1847
Diesem Hause (dem Rumohrschen Hause in Lübeck/Bliestorf) durch seine Mutter andere Freunde empfohlen, gestaltete sich damit seine Einführung in weniger abrupter Weise, als es zwanzig Jahre früher mit Poel der Fall gewesen. In seinen aufzeichnungen der Tage gedenkend, die dieser 1786 zur Zeit seiner Verlobung  bei seiner Schwester auf Rondeshagen zugebracht, schreibt er: “Ich freute mich, hier die Bekanntschaft mit einer Frau zu erneuern, die mit Recht für die erste Schönheit unserer gegend galt, und um so allgemeiner gefiel, da sie unbefangen freundlich gegen jedermann, ohne Gefallsucht nur dem Triebe ihres guten Herzens zu folgen schien. Ihre zarte Gestalt und die feine Sitte der Frau, einer geb. von Fersen, kontrastierte seltsam mit der energischen Persönlichkeit und dem derben, zufahrenden Wesen ihres kolossalen Ehemannes. Dieser, dem bekannten Geschlechte der Rumohrs angehörend, Senioratsherr bei Lübeck, hatte sich durch Tüchtigkeit und verständige Wirtschaft ein großes Vermögen erworben und solches zum Teil in einem komplex schöner Güter auf einer anderen Seite der Stadt angelegt, von welchen er im Sommer Bliestorf bewohnte, während er die Wintermonate in seinem lübecker Hause zubrachte.

Beim Eintritt in das Wohnzimmer rief er seiner Frau zu: “Ich bringe dir hier einen Gast (er nannte mich), der ein Kenner und Liebhaber von schönen Händen ist, ich habe ihn auf die deinigen verwiesen, zeige nur her!” sie sah meine Verlegenheit, lächelte, reichte mir die Hand und sagte: “Er ist mein Herr und Gebieter, ich muß ja nach seinem Willen thun, Sie sehen, es ist eine Hand wie jede andere.” Ich weiß nicht, ob ich in der Verwirrung Gegenwart des Geistes genug behielt, dem ehrerbietigen Handkusse ein verbindliches Wort hinzuzufügen. Die Bekanntschaft war nun gemacht, und mir ist seitdem oft Gelegenheit gegeben, sei es in ihrem Hause oder an einem dritten Orte die Familie zu sehen.


Aus den Briefen Carl Friedrich von Rumohrs an Robert Langer


Frühjahr 1811, Bliestorf , Sonnabend (ohne Datum)

Bester Robert,
ich bin glücklich angekommen und habe das Vergnügen meine Familie recht wohl meine kleinen Nichten und den lieben kleinen Felix (Henning Felix, * 23.10.1810, † 29.06.1811) sehr und liebenswürdig gefunden zu haben. Zwar ist der Familiensitz auf dem ich jetzt wohne abscheulich wüst, aber dafür gefallen mir die Güter, wo ich nicht wohne desto besser. …

Bliestorf 11. Juni 1811
… Mein Bruder hat viel Unglück gehabt; er hat seit 10 Jahren nach eurem Gelde an 100.000 Gulden Kapitalverluste gehabt; er hat viel und zweckmäßig auf seine Güter verwandt, wenn sichs nur rentierte. Auf einem Gute baut er 1000 Tonnen Waizen, wo sonst nur 150 gebaut wurden. …
… Einen Freund habe ich gefunden, der mir vieles ersetzt; eine der edelsten schönsten Seelen, meinen Bruder. Obgleich ein unaufhörlich anklopfendes Geschäft (sein Vorzimmer steht von früh bis nachmittags voll) gut angelegte aber getäuschte Speculationen, und Abneigung gegen das Land, was er bewohnt, und ein Volk das sein unermeßliches Wohlwollen beständig hintergeht, hinreichend wären seine Laune zu untergraben, so ist er doch der reinsten Heiterkeit fähig. Sein Gemüth das in unerfüllter Freundschaft dürftete, findet an mir sichtlich Behagen. Ein Mensch wie der, den jede große Gesinnung hinreißt, der in alles ein dichterische Gefühl trägt und der über Thiere und Pflanzen vergißt sein Kalkül zu machen: der an der Schwelle des Reichthums den Gedanken der Armuth ertragen kann, und häuslich entbehrt, während er Menschen aufrecht erhält, welche es vielleicht nicht verdienen. Er hat vier Kinder die gesund, froh und liebenswürdig sind, vorzüglich läßt der kleine Felix gut an, mein Taufkind und Nachfolger im Glück. Emmy (Friederike Ulrike von Rumohr, * 1773, † Uetersen 1837) ist meine Pächterin. …
… In Bliestorf ist ein großer und hübscher Garten in dem ich jetzt bessere. Er war so verwildert. Eine geringe Anhöhe von Gebüsch eingeschlossen und mit Obstbäumen bepflanzt, (Randbemerkung: mit Wegen á la Conjola (Carl Conjola 1773-1831, Landschaftsmaler)) Wie erträgt er die Bitterkeiten des Hoflebens.) ist jetzt im Wege ein vollständiger Obstgarten zu werden. Die Bäume sind geschnitten und abgemoost und der entkräftete Boden wird gedüngt. Einige verwilderte Hecken weren ausgerodet. Es wird recht hübsch. …
… Nirgens hier im Hause ist Licht und die Wände alle so bunt. …

… Im Text folgt die Zeichnung einer Landschaft mit der Bemerkung: Ansicht von Kastorf und Bliestorf von der Höhe auf dem Hamburger Wege (Kastorf/Christianshöhe) in der Ferne die Thürme von Lübeck. Wills mal groß radieren. …
… Damit ich die Ansicht von Bliestorf nicht zerkrazze muß ich wohl tiefer anfangen trotz der Papierverschwendung. …

den 11. Juli 1811
… Ich bin ganz auseinander mit den lieben Meinigen. Ich kann nicht sagen, das meine Gegenwart zu der geringsten Sache geholfen hätte. In diesem Hause der Unmündigen geschah nichts wie ich wollte und obendrein fürchtete man doch meinen Blick und Vorwurf und kannte keinen heißeren Wunsch als mich fortzuschaffen. Endlich brach einmal dieses Gefühl der Unterdrückung in meiner Schwägerin aus (die protestantische bigott faul, schmutzig, stolz auf ihre Reichsgräflichkeit, und insgeheim meine Familie haßt ( weniger seitdem ich ihr die Verwandtschaft mit den Herzögen von Hollstein) eröffnet habe und so wie die Person das hohe Alter unserer Familie welches das der Ihrigen um 3 Saecula (drei Jahrhunderte)  übersteigt.) Ich ergriff die Gelegenheit, die Gefahr zu durchbrechen in welche Wohlwollen und Familienliebe meine persönliche Unabhängigkeit gebracht (wenn mein Bruder nicht Geschäfte einer halben Stunde halbe Jahre lang zu trainieren pflegte, wäre mein Besitz unauflöslich mit dem seinigen verbunden worden; Ich wäre arm, das thäte nichts, aber auch abhängig von seiner Zerstreuung und Unentschlossenheit Von dem Unsinn seines Kalküls, und er als Senior hätte doch immer einigen Dingen allein die Wendung gegeben, während ich zu vorsichtig gewesen wäre ohne ihn zu handeln. Die Unterwürfigkeit war anfangs wohl nur theils fingirt, von Seiten der belle focas gewiß.

  























Wilhelmine Georgine von Rumohr,
geb. Freiin von Bothmer, *1778, † 1818;

Ihr Portrait aus dem Schloß Rüdenhausen
(Nr. 157)    


Wenn du im Stande bist, denke dir einen weitläufigen ganz vernachlässigten Hof in demselben ein gänzlich verfallenes Gebäude in dem eine Familie mit angenommenen und eigenen Kindern, zwei ledigen Geschwistern und vielem überflüssigem Gesinde, sonst noch der ganze Hof voll Tagedieb und Pensionärfamilien. Im Hause Kinderlärm der nie abreißt, drei vier vornehme Haushälterinnen und Kammerjungfern im vollen Staat beständig in den Wohnzimmern, so daß kein Wort zu reden ist, das sie nicht vernähmen. Uebrigens eine Decoration o! der Geschmack von diesem Landjunker thut mir noch am wehesten. denk dir eine kalthellblau gemusterte Tapete mit grellen Lichtern; darauf Oelgemälde (schlechte) zwei Portraits an der dunklen Wandseite und die Bilder so hoch das die Kinder nicht hineinschlagen können. Dann einen dunkelrothen Lappen über die Gardinen. brr. Ich hatte noch das schönste Quartier, das war vor 60 Jahren gemahlt worden und durch die edle Zeit bis auf die kreidigten Lichter gut in Harmonie gekommen. und dann ein langer viereckter Garten, der angefangen war in Ordnung zu bringen, aber 3/4 liegen geblieben; das einzige practicable Stück war durch heilloses Geschrei und Gestank einer Menagerie kleiner Jagdhunde verschönert. Apropos und an meinen Zimmern lag ein anmuthiger Teich, in dem die Quintessenz eines Misthaufens und einer noch schlimmeren Sache seit vielen Jahren abgeflossen war, und welcher bei diesjährigem anhaltend heißen Sommer herrlich fibrirte und weihroch; von Farbe ist er lieblich kaffeebraun. Und glaubst du wohl, dies abscheuliche Nest soll einen recht lieben Aufenthalt für mich geben, weil ich erst so weit gekommen bin, daß es mir geräumt wird. Ich trete es wieder an.

Krempelsdorf wird der Wohnort meiner Familie. Ich will sie gar nicht wiedersehn. …
… Tragisch war die Scene, die entschied, denn gleich drauf starb mein kleiner Neffe, der uns noch eine Weile zusammengehalten hatte. Ich habe ihm die letzte Ehre erwiesen bin aber entschlossen seine Eltern nie wiederzusehen. Mein Bruder hat mir einen Brief geschrieben, der voll ungerechter Vorwürfe, aber in einem edlen Tone abgefaßt ist, der mich hätte rühren können wenn nicht der Erkenntnisgrund falsch gewesen wäre. Sein Herz ist unmännlich weich und der Abulation zugänglich. Während er von selbstgefälligkeit bestochen ist, glaubt er aus reinem Edelmuth zu handeln, er wird sich nicht bessern eh er dies erkannt hat. …


Schenkenberg 3. September 1811
… Sieh ich kann  Bliestorf nicht wieder übernehmen, ohne mich etwas zu verschulden. Mein Bruder wills nicht gern fahren lassen; über die Punkte des Handels sind wir uneinig; also ist er so zu sagen zerschlagen. …


Rothenhausen 4. März 1812
… Ich besuche sie alle nicht und empfange ihre Besuche selten und höflich. Meine Schwägerin seh ich nicht mehr weil ich sie verachte. Sie hat mir des Vortheils wegen Versöhnung geheuchelt und Haß geschworen. Ich habe ihr alle Versündigungen an meinem Leibe und Leben verziehn und darnach gehandelt; und sie will meine Schwester noch demüthigen, weil damals sie von ihrer Heftigkeit beleidigt worden. …

Rothenhausen 17. November 1812
… In Bliestorf habe ich hingegen, nach dem was ich bereits verschenkte, noch 40.000 Luidor Kapital. …
… Sollte es je mit meinem Bruder schief gehen, so würde ich Bliestorf kaufen müssen, um meine Rechte zu sichern, und dann wäre ich Besitzer mehrerer für gegenwärtige Zeitumstände schon zu sehr verschuldeter Güter. …
… Hätte ich Bliestorf behalten und andre Kapitalien eingezogen, etwas Holz geschlagen und nothdürftig gebaut: so möchte ich wohl noch 6000 Luidor mehr als 1200 Gulden von Schuldenfreien Gütern haben. Da ich aber meinem unklugen Bruder allein getrauet habe bleiben mir nicht viel mehr als 3000 Luidor auf dem Papier als reine Einkünfte. …


Rothenhausen 1814
… Ich sollte eilen, denn ich fürchte übers Jahr muß ich doch zurück, denn die 4tel Tonne Goldes die ich in den Abgrund meines Bruders geschüttet, scheint nichts verschlagen zu haben. Ich muß am Ende das unglückliche Gut wiederkaufen und sitze mit einem sehr verworrenen Vermögen da, das einmal ein großes werden kann, wenn einzelne Umstände mich begünstigen. …



Fideikommiß

Der "Fideikommiß" war besonders im niederen  Adel verbreitet, um das Familienvermögen – vor allem den Stammsitz – zu erhalten. Er legte die Erbfolge (meist ging ein Gut auf den ältesten Sohn über) fest, verbot den Verkauf oder die Beleihung des Besitzes. Auch durften testamentarische Verfügungen nicht vom Fideikommiß abweichen. Festgelegt waren auch die Pflichten des Besitzers. Die Fideikommisse sorgten dafür, daß besonders die Güter (Gut) in den Herzogtümern bis in das 20. Jahrhundert erhalten blieben. Sie waren seit dem 19. Jahrhundert umstritten und wurden durch die Weimarer Reichsverfassung endgültig aufgehoben.



1802 Familie von Hammerstein, Erbgesessene auf Kastorf, logieren in Bliestorf wegen Neubau des Herrenhauses in Kastorf.

Mit der Errichtung der Ziegelei um 1818 steigt der Verbrauch an Torf als Brennstoff in Bliestorf drastisch.
11. Die Querele der Bliestorfer über den ihnen ausgewiesenen Torf 1827

Die Bliestorfer Gutsherrschaft hatte dem Erbpächter der Krummesser Mühle, der Brömbsen Mühle, Thielmann dadurch Anlaß zur Beschwerde gegeben, dass ein auf dem Mühlendamm gezogener Graben nicht ordnungsgemäß wieder zugeworfen war. Herr von Rumohr mußte bei der Lauenburgischen Regierung in Ratzeburg verklagt werden, die durch den Landdrost Graf von Kielmannsegge, auf den Bliestorfer Gutsherrn einzuwirken versprach.

 Carl Friedrich von Rumohr
gemahlt von Friedrich Nerly

Karl Friedrich Ludwig Felix von Rumohr gehört der bekannten ritterschaftlichen Familie dieses Namens an, welche von alter Zeit her mit Gütern in den Herzogthümern Schleswig und Holstein angesessen gewesen ist. Er war der Enkel eines Herrn v. Rumohr auf Rundhof im Lande Angeln gelegen und der jüngere Sohn des Landrathes Henning v. R., aus dessen zweiter Ehe mit dem Fräulein Wilhelmine Caroline, geb. v. Fersen.

Er wurde am 6. Januar 1785 geboren auf dem von seinen Eltern zu vorübergehendem Besitz angekauften Gute Reinhardsgrimma in der Nähe von Dresden. Nicht lange nach seiner Geburt zogen die Eltern nach Lübeck zurück, einer Stadt, die der Vater zum Wohnsitz auserkoren, um von hier aus seine sämmtlichen auf Lübecker Gebiet wie in der Umgegend im Holsteinischen und Lauenburgischen belegenen Güter zu verwalten. Nach der Schilderung solcher, welche den Eltern näher gestanden, war der Vater ein Mann von colossaler Gestalt, leidenschaftlichen Charakters, voll Eigenthümlichkeit und tüchtigen, gesunden Verstandes, den zu üben und auszubilden er in einem langen thätigen Leben die reichste Gelegenheit gefunden. Die Mutter, eine Frau von außerordentlicher Schönheit und liebenswürdigen Eigenschaften des Geistes und des Herzens, galt für die größte Zierde der Gesellschaft und das Rumohr’sche Haus bildete des gastfreien, lebensfrohen Treibens wegen, lange Zeit hindurch den gesuchtesten Mittelpunkt der Vereinigung für Einheimische und Fremde. Der Wissensdrang, welcher R. sein Lebelang ausgezeichnet, und der, gestützt durch eine Kraft des Gedächtnisses und eine Combinationsgabe, wie sie wenigen verliehen worden, in späterer Zeit zu der reichsten [658]

Geistesausbildung geführt hat, gab sich seinen Angehörigen bereits in frühester Kindheit zu erkennen. So wird erzählt, daß er, noch nicht siebenjährig in das Lesen eines Buches vertieft, sich von dem väterlichen Gute Bliestorf, zwei Meilen von Lübeck entfernt, bis in die Nähe dieser Stadt verirrt habe zur großen Bekümmerniß der seiner Zurückkunft ängstlich entgegen harrenden Mutter. Später, im 13. Lebensjahr, begegnete ihm eine seiner Schwestern, wie er zur Reise gerüstet, mit einem Bündel unter dem Arm im Begriff stand, das väterliche Haus zu verlassen. Auf ihre Frage über den Zweck seines Vorhabens erklärte der Knabe, ihm genüge der von dem Hauslehrer ertheilte langweilige Unterricht nicht. Er wolle in die weite Welt hinaus und eine Stätte suchen, wo er ungestört durch äußere Eindrücke sich ganz seinem Drange zu lernen hingeben dürfe. Dieser Schritt wurde für seine nächste Zukunft entscheidend. Die Verstandesreife und der wissenschaftliche Trieb des Kindes veranlaßten die Eltern, sich nach einer geeigneten Bildungsanstalt umzusehen, und infolge dessen wurde er dem Abte Wehland in Holzminden zur weiteren Ausbildung übergeben. In seinen Erzählungen pflegte er des Zeitraumes, welchen er hier zugebracht, nur ungern zu gedenken, und sich dann immer über die Dürftigkeit des ihm ertheilten religiösen und philologischen Unterrichts zu beklagen. Durch den im J. 1803 erfolgten Tod seines Vaters Erbe von dessen lauenburgischen Gütern geworden, im Besitz eines ansehnlichen Vermögens, ist ihm wohl der Gedanke gekommen, in auswärtige Staatsdienste zu treten, der, man möchte beinahe sagen, leider nicht zur Ausführung gekommen ist, denn vermuthlich würden Bande, welche an ein fest geregeltes tägliches Leben und an einen bestimmten Beruf knüpften, mehr oder weniger den oft räthselhaften Verstimmungen und selbstquälerischen Grübeleien entgegen gewirkt haben, wodurch er nicht selten sich selbst und wohlmeinenden Freunden wehe gethan hat. Auf der andern Seite erklärt sich freilich wieder der selbstgewählte Lebensgang aus Rumohr’s innerster Natur. Die Himmelsgabe schöpferischer Kraft, welche den Künstler kennzeichnet, war ihm zwar versagt geblieben. Es sei dies gesagt unbeschadet der artigen Federzeichnungen, welche er unter der Unterhaltung und ungestört durch sie mit künstlerischer Hand auf das Papier zu werfen wußte und liebte. Aber mit dem tief in ihm wurzelnden Formen- und Schönheitssinn verband sich eine ungemein scharfe und kritische Beobachtungsgabe, die ihn z. B. für manches Gemälde die Entstehungszeit und den bis dahin unbekannten Meister auf den ersten Blick mit Sicherheit bestimmen ließ. Es lag daher nahe genug, daß der geistreiche Mann seinen höchsten Beruf darin fand, sich kritisch mit der Geschichte der Kunst und ihrer Entwickelung zu beschäftigen.

Einleitend zu solchen Bestrebungen diente der Aufenthalt in Göttingen, wohin er sich im Todesjahr seines Vaters wandte, denn neben Sprach- und Geschichtsstudien nahm er auch im Zeichnen Unterricht bei Fiorillo, knüpfte einen lebhaften Verkehr mit der Künstlerfamilie Riepenhausen an, besuchte fleißig die Casseler Gemäldegalerie und hat auch einige Zeit in Dresden zugebracht, wo er beiläufig gesagt, zur katholischen Religion übergetreten ist. Ob zu seinem Glücke? Wir können, da er sich nie über dieses Ereigniß ausgesprochen hat, nicht darüber urtheilen, glauben aber aus sehr genauer persönlicher Bekanntschaft versichern zu dürfen, daß er in Wahrheit niemals, weder der katholischen, noch irgend einer andern Kirche angehört hat. Nach Göttingen zurückgekehrt, hat es ihn dort nicht lange gelassen. Er bedurfte größerer und umfassenderer Eindrücke, und so zog er für solche wohl vorbereitet, im J. 1805 (?) nach Italien, um später zu wiederholten Malen dahin zurückzukehren, und während seines oft lange dauernden Aufenthaltes daselbst, ist ihm, vertraut wie er war, mit der mittelalterlichen Geschichte des Landes, in allen was sie Großes hervorgebracht, [659] in beständigem Verkehr mit Vornehm und Gering die Gegenwart so licht erschienen und so lieb geworden, daß er vorübergehend daran gedacht hat, sich dauernd in Siena niederzulassen, einer Stadt, die ihm um des alterthümlichen Gepräges und des entgegenkommenden Benehmens der Bewohner willen besonders ans Herz gewachsen war. Wer sich berufen weiß, einen bestimmten geistigen Schatz zu heben, und mit ganzem Ernst sucht, der wird auch finden. Von dieser Wahrheit legen auch die Bemühungen Rumohr’s Zeugniß ab, denn die herrlichen Schöpfungen italienischer Kunst vor Augen und unterstützt durch reiches auf Urkundenstudien gegründetes Wissen, ist es ihm gelungen mit den in drei Theilen successiv erschienenen „Italienischen Forschungen“ ein Werk von Epoche machender Bedeutung für die italienische Kunstgeschichte hervorzubringen. Schulz (s. u.) sagt darüber: „Als der vorzüglichste Theil des ersten Bandes dieses Werkes, als Rumohr’s trefflichste kunsthistorische Arbeit und als die beste Schrift über die mittelalterliche Kunst überhaupt, muß der Entwurf einer Geschichte der umbrisch-toscanischen Malerschule für das 15. Jahrhundert betrachtet werden.“ Und dann auf den zweiten Band übergehend: „Dieser wurde mit noch entschiedenerem Beifall begrüßt als der erste, er bildete die Grundlage zu einer neuen auf sicheres Quellenstudium und umfassende Kunde basirten Auffassungsweise der italienischen Kunstgeschichte, an welche sich alle neuen Forscher angeschlossen haben und anschließen müssen.“ Wenn aber auch dieses Buch als das Hauptwerk zu betrachten ist, wodurch seinem Namen ein dauerndes Andenken gesichert bleibt, so hat doch auch die große Zahl anderer der Kunst im allgemeinen und in deren verschiedensten Verzweigungen gewidmeten Aufsätze und Abhandlungen den anregendsten Einfluß geübt, wovon nicht am wenigsten der Umstand Zeugniß gibt, daß sie gelegentlich auf Widerspruch gestoßen und damit zu manchen näheren Erläuterungen Anlaß gegeben haben. Mit vorstehenden Andeutungen über die vornehmste Thätigkeit, worin er den Beruf seines Lebens gefunden, müssen wir uns genügen lassen und erlauben uns nur noch mit wenigen Worten ihm auf anderen Gebieten seiner schriftstellerischen Leistungen zu folgen. Wie ihn die italienischen Novellen nach ihrer historischen Bedeutung besonders angezogen, und er diesem Gegenstande einen eigenen Aufsatz gewidmet, so hat er auch selbst Novellen geschrieben, die aber freilich seinem Nebenbuhler in diesem Fache, Ludwig Tieck, nicht sonderlich zusagten, und dessen wohl etwas unvorsichtige Aeußerungen ihn für immer einem Mann entfremdeten, mit welchem er während seines ersten Aufenthaltes in Italien und der gemeinschaftlich unternommenen Heimreise frohe Tage verlebt hatte. Mögen sie aber auch ungleich an Werth sein, so ist man doch gewiß befugt, den „letzten Savello“ wegen des edlen Maßes der Sprache und einer ausgezeichneten, die Farbe der Zeit tragenden Darstellung als mustergültig für Erzählungen dieser Art hervorheben zu dürfen. Allgemeiner bekannt ist wohl „Rumohr’s Geist der Kochkunst“, worin sich ein gewisses frohes Behagen ausspricht und die Kunst gut und verständig zu leben auf geistreiche Weise mit der Kunst gut und verständig zu essen in Verbindung gebracht wird. In einem andern Schriftchen „Die Schule der Höflichkeit für Alt und Jung“, werden vom Bettler aufwärts jedem seiner Stellung gemäß in launiger Weise Schicklichkeitsregeln gegeben, deren Befolgung als der sicherste Weg gepriesen wird, um den Berufspflichten in anständiger Weise Genüge zu leisten. Im Gegensatz zu dem, was wir ihn hier und anderweitig über gesellschaftliche Zustände erzählen hören und des Beifalles, der ihm damit zu Theil geworden, erwähnen wir der „Deutschen Denkwürdigkeiten aus alten Papieren“, denn wenn auch die ihm eigene meisterhafte Handhabung der Sprache und manche geistreiche Bemerkungen bezüglich auf deutsche Lebensverhältnisse nach Beendigung des siebenjährigen Krieges auch hier eine gewisse Anziehungskraft [660] üben, so entschädigt das doch nicht für die kühle und höherer Erhebung mangelnde Betrachtungsweise, die uns hier in einer 4 Bände füllenden Erzählung entgegentritt. Leider fehlt uns der Raum, anders als ganz kurz zweier Arbeiten Rumohr’s zu gedenken, welche auf die bäuerlichen Verhältnisse des mittleren und nördlichen Italiens sich beziehend, uns in lebendigster Weise über die Localitäten, die Bodenbeschaffenheit, die Art der Cultur, die Irrigationsverhältuisse und die Lage des Landvolkes unterrichten. Man erkennt überall den Mann, der auch hier durch eigene Anschauung wie durch urkundliche Forschungen geleitet, in das Wesen der Zustände einzudringen bemüht gewesen ist. „Die Besitzlosigkeit der Kolonen in Toscana“, so betitelt sich der eine dieser Aufsätze, welcher nachweist, daß die Beseitigung eines eigenthümlich angesessenen Bauernstandes mit der industriellen Thätigkeit und den capitalistischen Bestrebungen alter Zeiten in Verbindung steht. Einer Aufforderung Rist’s, in ähnlicher Weise den bäuerlichen Verhältnissen seiner engeren Heimath nachzuforschen, hat der Verfasser leider nicht Zeit gehabt nachzukommen.

Der eigenthümliche Wechsel der Gegenstände, welcher uns in Rumohr’s schriftstellerischer Thätigkeit entgegentritt, findet eine Art von Gegenbild in seiner äußeren Lebensweise. Ein Freund von Contrasten, pflegte er seine ländliche Einsamkeit gern und oft mit dem Aufenthalt in großen Städten, Hamburg, München, Dresden u. s. w. zu vertauschen, wo sich seinem beobachtenden Geiste im Verkehr mit den verschiedensten Gesellschaftskreisen immer neue Eindrücke mittheilten. In Berlin und Kopenhagen war er ein gern und oft gesehener Gast der Könige Friedrich Wilhelm IV. und Christian VIII., beiden stand er, seitdem sie ihm früher als Prinzen in Italien begegnet waren, wo sich ein vertrautes Verhältniß zwischen ihnen hergestellt hatte, in künstlerischen Bestrebungen rathend und bestimmend zur Seite, und sie haben ihm, man kann wohl sagen bis zu seinem letzten Athemzuge, Beweise ihres Wohlwollens und ungeschmälerten Vertrauens gegeben. Wohin er sich aber auch gewendet haben mochte, nach seinem Rothenhausen in der Nähe von Lübeck zurückgekehrt, fand er in ländlicher Abgeschiedenheit, im Gegensatz zu dem hinter ihm liegenden bunten Treiben nur einen erhöhten Reiz; für seine Studien stand ihm hier eine wohl geordnete, an seltenen Werken reiche Bibliothek zur Verfügung. Unter den Kunstgegenständen, die sich dort fanden, ist besonders eine mit großer Einsicht und Liebe gesammelte herrliche Kupferstichsammlung zu nennen, die er mit wohl berechtigter Freude besuchenden Freunden vorzuzeigen pflegte. Durch den Umgang mit einer, seine Häuslichkeit theilenden und durch hervorragende Geistesgaben ihm nahe stehenden Schwester, des Fräulein Friederike v. Rumohr, fehlte es ihm nie an anregender täglicher Unterhaltung, auch hatte er nicht über allzu große Einsamkeit zu klagen, da die edle, von ihm geübte Gastfreiheit eine anziehende Kraft auf Befreundete in der Nähe und Ferne ausübte, deren viele ihm einen erweckenden Einfluß zu danken gehabt haben. Vor allem fühlte er sich wegen ihrer strebenden Kräfte und unzersplitterten Hoffnungen zu einer lebensfrohen Jugend hingezogen, und so haben angehende junge Künstler oft Monate und Jahre lang auf Rothenhausen geweilt, wie denn der bekannte Maler Friedrich Nerlich hier seine Erziehung erhalten und zum Künstler herangebildet worden ist. Wie erfreulich aber auch der Sinn ist, der sich hierin zeigt und den er auch vielfach durch großmüthige Unterstützung Nothleidender an den Tag gelegt hat, zu bedauern ist, daß R. an einem krankhaften Selbstgefühl gelitten, welches, in irgend einer Weise verletzt, ihn oft außer Fassung bringen und Ausbrüche eines unversöhnlichen Zornes herbeiführen konnte. Unter besonderen Umständen ist aber dadurch namentlich seine letzte Lebenszeit verbittert worden; Umstände, die ihn, ohne daß die Schwester irgend etwas verschuldet, zu einer Trennung von dieser geführt, sowie Veranlassung gegeben [661] haben, daß er Rothenhausen verkaufte, um sich häuslich in Lübeck niederzulassen. Hier befand er sich, als ein huldreiches Schreiben des Königs Friedrich Wilhelm IV. ihm die Aufforderung zu einem Besuche nach Berlin brachte; diesem Rufe folgend, reiste er dorthin, wurde aber nach einem kurzen Aufenthalte daselbst von einer Krankheit befallen, welche die ängstlichsten Besorgnisse erwecken mußte, denn die Symptome der Brustwassersucht waren nicht zu verkennen und er kehrte in einem sehr bedenklichen Zustande nach Lübeck zurück. Eine Wiederherstellung seiner Gesundheit von dem Gebrauch eines böhmischen Bades hoffend, verließ er zu Anfang des Sommers 1843 Lübeck, um es nicht wiederzusehen, und gelangte über Magdeburg reisend nach Dresden, wo er sein Ende gefunden hat. „Der Tod überraschte ihn plötzlich, er wurde am 25. Juli vom Schlage gerührt und sank mit dem Rufe: ‚Kinder, betet für mich!‘ in die Arme seiner Diener.“ Der Leichnam wurde auf dem Friedhofe der Neustadt bei Dresden bestattet und König Christian VIII. hat ihm dort ein beide ehrendes marmornes Denkmal gesetzt, welches die nach Zeilen abgesetzte Inschrift trägt: „Dem geistreichen Schriftsteller über Staats- und Lebensverhältnisse der Vor- wie Mitwelt, – Dem Begründer eines tieferen Studiums der Kunstgeschichte des Mittelalters, – Dem vielseitigsten Kenner früherer, Dem edelsten Förderer neuerer Kunst, Weiht dieses Denkmal König Christian VIII. von Dänemark.“

Leider hat R. den lange gehegten Vorsatz einer Autobiographie nicht ausgeführt; auch Briefe von irgend nennenswerther Bedeutung haben sich in seinem Nachlaß nicht gefunden. Wir sind daher auf die Mittheilungen von Zeitgenossen, mit denen er in Verbindung trat, angewiesen. Unter diesen ist besonders zu nennen Heinrich Wilhelm Schulz, K. Fr. v. R., sein Leben und seine Schriften – mit einem Nachwort von C. G. Carus, Leipzig 1844. Der Unterzeichnete hat sich hauptsächlich an einen Aufsatz gehalten, der von ihm bald nach Rumohr’s Tode im Altonaer Mercur veröffentlicht ward.