Grinauer Hexenprozeß

Im Jahre 1617 fand vor dem Gutsherrn Thomas von Wetken auf Trenthorst, ein Hexenprozess statt. Das "finstere Mittelalter" war längst vorüber – glaubten unsere Vorfahren tatsächlich noch an Hexen und Teufel? Die Vernehmungsprotokolle sprechen dafür! Die Hexenjagd war eher ein Phänomen der Neuzeit und hatte zwischen 1550 und 1650 ihren Höhepunkt: Pest, Hungersnöte und Kriege plagten die Bevölkerung. Da waren Sündenböcke höchst willkommen. Aber auch andere Vorurteile und Irrtümer halten sich trotz anderslautender Tatsachen. So waren die weiblichen Opfer nicht nur Heilkundige und Hebammen, wenngleich diese Frauengruppe besonders gefährdet war - eine lästige Konkurrenz für die aufkommende, männer­dominierte moderne Medizin.


Die Hexenprozesse verliefen immer nach dem gleichen Schema ab, nach den  Regeln des “Hexenhammer” (Malleus maleficarum) von Jacob Sprengler und Hinrich Institoris von 1487. Festnahme in den frühen Morgenstunden, Verhör, Entfernung jeglicher Körperbehaarung, Folter ersten Grades, Frage nach den Mitverschworenen, Folter zweiten Grades, Urteil, Scheiterhaufen. Wer ein Geständnis ablegte und dem Teufel abschwor, dem wurde die Gnade erwiesen, vor der Verbrennung enthauptet oder erwürgt zu werden. Ein Entkommen gab es nicht. Die Familienangehörigen distanzierten sich so schnell wie möglich, weil es sowieso hieß, dass die Hexerei auf die Kinder vererbt werden kann. Und auch die Freunde waren plötzlich keine mehr, denn: Wer für eine/n Hexe/r spricht ist selbst mit dem Teufel im Bunde! Aus diesem Grunde gab es auch keine rechtliche Verteidigung.

Eines der gängigen Vorurteile über die Hexenverfolgungen ist, daß nur Frauen zu den Opfern zählten. So wurde 1617 neben Anna Hartzen auch Franz Blois verhört. Aus seinem Geständnis erfahren wir, dass auch Bliestorfer durchaus des Hexens fähig waren. Wohl um seine eigene Haut zu retten, beschuldigt er eine ganze Reihe Personen der Hexerei. Ob die angezeigten Bliestorfer dann später auch vor Gericht stehen ist leider nicht überliefert, jedenfalls um der Folter zu entgehen, gesteht er freiwillig “frey von Ketten und Banden” und gibt folgendes zu Protokoll:

Vernehmung Freitag den 20. Juli 1617:

Beginn fehlt!

darauff den Stock in des teüffels nahmen an-
gegriffen, undt gesaget: Der sollte ihr diener
sein, den soll er angreiffen ins teüffels nahmen

3) habe nachgehendts im Haßelbusch 4mahl nach
einander bey seinem buben gelegen, undt
sich fleischlich vermischet, dessen natur aber
wahr gar kalt gewesen

4) das hexen hette er schon uf 20.Jahr gewust
und von ancke Büssows seiner eigenen
frawen in seinem hauße gelernet

5) habe sein eigen Pferd, so Braun gewest, umb-
gebracht ferner


6) schweres Dencker 1. Pferdt, so ein gelbe
stute gewesen

7) Ties spiring dem trommelschläger 1. Pferd

8) Jasper Dencker 1. Pferdt, wohnet da itzt
Mohlen uff wohnet, so schwartzbraun gewest,

9) Die Geister zu verweisen, habe er mit
Hülffe Bruer Aßmus undt Schneider
Aßmus von Ties Boten: und Görries
Stenders Hauß nach der Stegnitz ver-
wiesen, und dabey Diese Wort gesprochen:
Ich weise sie hinwegk.

10) Sein Zeichen woher uffm rücken, welches sich auch
nach geschehener Besichtigung befunden, daß
ein kleines blaues flecklein, und darin ein
klein löchschen, welches er bekommen, da
der teüffel ihn angegriffen.

11) auß Drewes Boten hauß, hette er den
teüffel vertrieben nach der heide, undt
dabey gesaget: Ins teüffels nahmen bring
ich dich auß dem hauß nach der heide
das du meinem nachbar keinen schaden thust
und ferner daß ich zu seinem teüffel ge-
saget: das solt du hinbringen in teüffel nahmen!

12) Sein Blocksberg wahr uf dem Hohen Ferth
Bey Bliißtorff woselbsten er auf die
10.mahl nebenst der Bantholtzsche, und
die 2 vorige gewest.

13) Schneider Aßmus wehre daselbst feüer
Beter gewest.

14) Lise Cordes Dirne, Greten genent, wehre
auch mit gewest, er, und dise Lisa
Cordes hetten es ihr gelehret, wehre
auch noch in der lehre.

15) Zu Büssow hette er den wurm von einem Baum
andern gebracht, nehmlich bey henrich
Reimers, und Görris Stender. Ist
darauff wider loßgelassen: und hat fer-
ner bekennet, daß er uff seines Junckers
Gutschwilde den wurm gebracht, und auch
wider geheilet.

17) Er wollte Ahsmus und Bandholtzsche unter
Augen sagen, das Sie auch Hexen kunten,
sodann Sie mit ihnen confrontiret würden.

18) Er habe uff seinem Blocksberg, da er mit
seiner rotte gewesen, Anna Hartzen
uff Ihren Blocksberg, ufm Bückenberg
gesehen
Ist darauf wider in Verwahrung
gebracht worden.

Vernehmung vom 21. Juli ?

Dato, ist auch frantz Bloiße was
gebrauchet worden: da er dann frey von
Ketten und Banden, auf hirvorn specifierete
in puncto abermal befraget worden,
bekennde.

1) sein Teüffel heiße Blömten (?), wehre anfanges
in gestalt einer Frauen erschienen mit wei-
ßen kleidern im Hasselbusch, alda er
Busch gehauen, zu ihm gekommen, nach
etlichen tagen aber an selbigen orth
in einer katzen gestalt, so schwarze ge-
wesen, habe ihm einen Haselstock so
oben etwas weiß gewest in die
Hand gegeben, und dabey gesaget der
stock soll dir guth thun: wie auch
Weißbrod oder stuten, welches
er aufgegessen.

2) der teüffel wehre zum drittenmal in ge-
stalt einer schwartzen katze zu ihm
ins hauß kommen, sich bey ihm uffs bette
geleget und mit Ihm gebuhlet. daruf Gott
und sein h(eiliges): Wort verleugnen und also sagen
müssen: ich verleugne Gott den herrn,
und darauf der stock ins Teüffels nahmen
angegriffen, und zu ih gesaget: Er solte
Ihr diener sein.

3. affirmat.     4. – 5. – 6. – 7. –

8) affirmat per totum und habe nach Hen-
rich denker zum Klein Schenkenbrg ein
föhlbich Hengstlein (?) umbbraht.

9) affirmat etiam, und setzt ferner hinzu, daß
auch seine Frau und Drewes Bote ihm ge-
holfen den geist auß drewes Boten hauß
nach der heide uff den hohen ferth zu verweis-
sen, da er das mit der hand 3. kreütz
vor der thür gemacht, und gesprochen im
nahmen Gottes des Vatters, Sohnes, und
Heil. Geistes. Den geist hatte er aufge-
nommen und in einem gang nach der heide
getragen, und gesaget da gehe hin nahm
teüffel zu: und ich bring dich in des teüffels
nahmen auß dem hauß, daß du meinem
nachbar kein schaden thust.

10) affirmat.

11) auß Görris stenders und Henrich reimers
hauß, hette er den wurm wegkgewiesen
aber keine geister vertieben.

12) sein Blocksberg war ufm hohen ferth
gewesen, woselbsten die Bantholtzsche
Schneider asmuß und Bote gewesen.

13) negat

14) Er habe die Dirne, Grete nicht: sondern
seine Frau und Lise Cordes hetten
sie gelehret; wehre auch noch in der
Lehre

15) Henrich Reimers und Görris Stenders
pferde hette er den wurm gesegnet
und geschmieret, aber nicht von einem
zum andern gebracht

16) affirmat. der teüffel lieffe allerwegen
hin: also auch der wurm.

17) Affirmat.

18) affirmat: aufm Bückenberg hette er die
anne Hartzen verschiedenmahl gesehen.
Ist darauf weiter gefraget worden ob
er sonsten auch einigen schaden, an Men-
schen oder Vieh gethan, geschaffen, oder
sonsten getötet? weil er aber nichts
mehr gestehen wollen: Ist er von gerichts
wieder nach seinem gefängnis gebracht
worden.

Bezeugt durch den Gerichtsherrn Thomas von Wetken und seinen gleichnamigen Sohn, sowie Hanß Holtorffen und Hanß Hirten
Attestor: Johann Georg Schmeltzer

affirmat = bestätigt
negat = verneint




Auschnitt aus der Stitenschenkarte von ca. 1608. Rechts vom Schenkenberger Weg liegt der "Hohe Ferth" (Hohe Viert)

  

links eine Beinschraube und rechts eine Daumenschraube


Beim diesem Grinauer Hexenprozeß haben wir es mit einem klassischen Hexenprozess, wie er von Lauenburg bis Bayern stattfand zu tun: Dazu zählte
a) der Schadenzauber: hier Viehzauber
b) der Teufelspakt
c) die Teufelsbuhlschaft als Festigung des Paktes
d) der Besuch des Hexensabbats

Das Geständnis hat Franz Blois nichts genutzt. Er wird trotzdem zum Tod durch Verbrennen verurteilt. Immerhin erfahren wir durch seine Aussagen, dass der “Hohe Viert” in der Bliestorfer Heide ein Hexenplatz war. Ob nun der Brauer Asmus und der gleichnamige Schneider zaubern konnten wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. Aber mit der “Bantholtzschen” ist uns vielleicht eine alte bliestorfer Kräuterfrau überliefert.

Auch erfahren wir nicht, ob den Bliestorfern ebenfalls nach diesen schwer belastenden Aussagen der Prozeß gemacht wird, denn die Gutsakten sind wohl 1708 ein Raub der Flammen geworden. Wahrscheinlich werden sie mit dem Leben davon gekommen sein, denn im Lübecker Gebiet wurden im Vergleich zu anderen Regionen in Schleswig-Holstein relativ wenige Todesurteile ausgesprochen.

In Trenthorst dagegen finden noch 1624, 1663 und 1665 weitere Hexenprozesse mit tödlichem Ausgang statt. Aber auch im benachbarten lübschen Rondeshagen wird 1650 noch unter Christoph Heinrich von Tode, ein Mann auf dem Scheiterhaufen verbrannt.