Verkoppelung

Die Bliestorfer Verkoppelung erstreckt sich über einen Zeitraum von über 150 Jahre und unterteilt sich in drei Phasen:
1. das Koppelmachen. 16 Jhd. -18 Jhd.
2. Setzung und Egaliesierung.  1735-1744
3. Aufhebung der Allmende und Umwandlung in Erbpacht. 1789-1817

Das dem Bauern bei der Besiedlung bemessene Hufenschlagband wurde im Laufe der Zeit durch Zurodung neuer Gewanne (Kämpe) vermehrt, Neuverteilung ehemals wüstliegender Flächen sowie Erbfolge sind weitere Gründe für die im Laufe der Jahrhunderte immer stärker zunehmende Zersplitterung der Feldmark. Die einzelnen Streifen, auch Stücken genannt lagen in schmalen Bändern nebeneinander und wurden gemeinschaftlich bewirtschaftet. Die Erträge waren gering und die genossenschaftliche Nutzung hemmte die Eigeninitiative.

1. das sogenannte “koppelmachen”  begann im Lübecker Umland im 16. und 17. Jahrhundert. Später um 1730 betrachtete man hier die Verkoppelung als unerläßliche wirtschaftliche Notwendigkeit. Als Koppeln bezeichnet man umzäunte Landstücke, die außerhalb der Feldgemeinschaft in Sondernutzung standen. Die Koppeln entstanden am häufigsten neben dem gemeinschaftlichen Land durch Rodung im Holz und in der Gemeinen Weide/Heide. In Bliestorf ist dieser Prozeß erst am Ende des 17 Jhdt. wegen der dürftigen Quellenlage nachweisbar, begann aber mit Sicherheit schon im 16. Jhdt. (s. Koppel auf dem Oldendorp 1683, Ellerbrokes Koppel 1685, Hollander Koppel 1688, Ochsen­koppel 1690). So ist auf der Stitenschen Karte vom Anfang des 17 Jhd. eindeutig zu erkennen, das schon ein Teil der Bliestorfer Heide als Acker genutzt wird. Diese ersten nachweislichen Koppeln, wie schon der Name einiger Koppeln verät, dienten ursprünglich der Ochsenmast und Viehzucht, damals ein im Lübecker Umland sehr erträgliches Geschäft. 1685 haben die Hufner jedenfalls schon Teile der Heide (s. Heidekoppeln am Schenkenberger Weg) in Weiden und Äcker umgewandelt. Dies geschah wahrscheinlich im Einvernehmen mit der Herrschaft. Diese sogenannten Anschlüsse wurden von der Herrschaft angewiesen und wurden mit einer extra Pacht belegt. Nach 1744 besaß jeder Hufner eine Heidekoppel von 20 Morgen.

Das Koppelmachen der Bauern wurde ursprünglich von der Herrschaft allgemein nicht gern gesehen, da es zur Behinderung der Jagd  führte und man durch die aufwendige Arbeit des Anlegens einen Verlust an Arbeitskraft bei den Hofdiensten befürchtete. Auch war der Holzverbrauch für die Zäune emens. Diesem Mißstand versuchte man später durch Anlegung von lebenden Hecken (später Knicks) entgegen zu wirken.
 
Aber auch die Gutsherrschaft begann sich seit längerem immer mehr in der Heide auszudehnen (s. Kleine Koppeln), so beklagen sich z. B. 1790 die Kätner „sind Zuschläge in dem Guthe Blystorff ein nach dem andern gemacht worden, so haben sie (die Vorfahren der Kätner) sich zurückgezogen mit ihren Heerden“.


2. Setzung und Egalisierung: die kaum noch nachvollziehbaren Besteuerungen der einzelnen Bauernstellen machten Ende des 17 Jhdt. eine neue Setzung (Besteuerung) nötig. Auf allen adligen Gütern unter dem scharfen gutswirtschaftlichen System fehlte die Bereitshaft der Bauern um eine neue Setzung, so konnte nur etwas geschehen, wenn die Obrigkeit alle Kosten auf sich nahm, im Bliestorfer Fall die Kämmerei, weil ihr Ziel über die Besserung der eigenen Wirtschaft und der der Bauern hinaus sich auch darauf richtete, diese “besser und glücklicher zumachen”.

Nach der Distribution der Landgüter von ca. 1670 gehören zu Bliestorf 5 Hufen, 5 Halbhufen, 6 Kosaten (Kätner) sowie 2 Einlieger.

Schon knapp 20 Jahre später, ca. 1685 haben sich die Verhältnisse in Bliestorf gewandelt: Nun werden in der Taxation 6 Hufner, 2 Halbhufner und 6 Kätner genannt, so das man annehmen muß, dass zwei der Halbhufen zu einer Vollhufe zusammengelegt wurden. Was mit der fünften Halbhufe geschieht ist unklar. Die Hofstellen sind alle unterschiedlich taxiert. Auch scheinen offensichtlich der Kämmerei keine älteren Angaben zur Größe und Umfang der einzelnen Hufen und Katenstellen vorzuliegen, denn die Taxierung, die in die­sem Fall einer Setzung gleich kommt, basiert ausschließlich auf “der Hausläuhte aussage”.

1735 veranlassen die durch die Lübecker Kämmerei eingesetzten Vormünder der Wickedischen Erben (Lübecker Ratsherren) die bliestorfer Hofstellen zu egaliesieren und neu zu besteuern. Da das ebenfalls zu Lübeck gehörende Amt Behlendorf zur selben Zeit  (1735-1744) “verkoppelt” wird, ist anzunehmen, das die Kämmerei diese mit der Bliestorfer zusammen durchführen ließ.

Leider sind keine Unterlagen der Verkoppelung aus den Jahren 1735-1744 erhalten geblieben, doch konnten die Ergebnisse teilweise rekonstruiert werden. Auch die Karte die dazu wohl angefertigt wurde (wahrsch. von Duplat oder Barner) ließ sich bisher nicht wieder auffinden. Diese Akten müssen zwischen 1858 und 1861 verloren gegangen sein. Denn in der Bliestorfer Registratur werden sie noch 1858 aufgeführt, aber schon 1861 bittet der Justitiar Sarchau die Regierung in Ratzeburg um Einsicht in die Verkoppelungsakten. Als Bliestorfer Justitiar hätte er ja Zugriff auf die Bliestorfer Akten gehabt, also waren sie dort schon nicht mehr vorhanden.

Bei der Aufstellung der Höfefolge ergab sich, dass ab 1739 (s. Grot, Hufenstelle E) in Bliestorf die ehemals 1685 aufgeführten 6 Hufen, 2 Halbhufen und 6 Katenstellen zu 6 gleichen Hufen und 10 gleichen Katenstellen zusammengelegt waren. Die Aufteilung der wüst liegenden Flächen (s. Höfefolge Starke, Hufen X + Y) fand schon vor 1714 statt, denn im Krummesser Kirchenrechnungsbuch sind 1714  4 Hufner, 1 Halbhufner und 10 Kätner aufgeführt. Ab 1722 durchgehend bis Ende des 18. Jhdt. bleibt es dann bei einer konstanten Zahl von 4 Hufnern und 10 Kätnern (von 1722 - 1761 sogar 11 Kätner) sowie der Schulkatensstelle. So scheinen nach diesem Rechnungsbuch die alten 4 Vollhufen den neuen 6 Hufen zu entsprechen, sind also kleiner geworden. Dies bestätigt sich dann 1812, denn im Hypothekenbuch der Mairie Castorf werden die 6 Hufen als Halbhufen bezeichnet, entsprechen also nicht mehr einer damals üblichen Vollhufe.

Die neue Setzung  erbrachte ein Abgabenverhältnis vom Kätner zum Hufner von fast 4 : 1, vorher lag es bei 8,5 : 1. Flächenmäßig war dieses Verhältnis allerdings noch nicht erreicht worden. So erklärt sich auch, warum die Begriffe Kätner und Viertelhufner später oft als gleich anzusehen sind. Den Hufnern wurde je eine Heidekoppel von 20 Morgen in der Heide zuerkannt. Die Allmeinde, freie Weide in der Heide blieb erhalten, wurde aber durch die Koppeln der Hufner und Herrschaft verkleinert. Die Flächen wurden arrondiert (zusammengelegt) und mit Knicks eingefriedet, dass zeigt auch deutlich die im Jahre 1776 gemachte Karte der Kurhannoverschen Landesaufnahme.

Bliestorfer Koppeln

Koppel auf dem Oldendorp 1683    
Ellerbrook Koppel 1685            
Hollander Koppel 1688            
Ochsenkoppel 1690            
Koppel an der Castorfer Scheide 1690    
Koppel hinter Buhrvagts Hoff 1690    
Heidekoppeln vor 1790            
Sandkatenkoppel 1809            
Kleine Koppeln    
Fischerkoppel
Buschkoppel    
Hauskoppeln
Ziegelkoppel
Tannenkoppel
Rödenkoppel
Steindammkoppel
Gelbbrinkkoppel
Backhauskoppel


Die Pferdekoppel "Am Sahl" im Hintergrund das Herrenhaus um 1910

3. Aufhebung der Allmende und Umwandlung in Erbpacht. 1789-1817
Als 1789, im Jahre der Französischen Revulotion, Henning von Rumohr Bliestorf übernimmt, kommt die nun schon seit über 50 Jahre ins stocken geratende Verkoppelung wieder in Gange. Wie schon zwei Jahre zuvor in Grinau befreit er sofort nach der Übernahme  Bliestorfs die 6 Hufner gegen Dienstgeld gänzlich von den Hofdiensten. Wir erinnern uns: unter von der Sode hatten sie 1765 noch 4 Tage Spann- und 1 Tag Handdienst pro Woche zu leisten. Ein Jahr später, 1790 werden dann die Hufenstellen schon in Erbpacht umgewandelt und wir erfahren, dass jeder Hufner 123 Scheffel ( ca. 21,6 ha) Saatland besitzt.

So hatte Henning von Rumohr auch sofort das bisher nur schlecht genutzte Kapital der Bliestorfer Heide erkannt. Diese wurde zum größten Teil nach wie vor als Gemeinweide ausschließlich von den Kätnern genutzt. Die Hufner hatten schon früher (1744 ?) auf ihr Recht an der Gemeinen Weide verzichtet und waren mit jeweils einer Heidekoppel von 20 Morgen abgefunden worden. Als er 1789 die Comunion (Allmende/ Gemeinweide)  aufhebt, um einen Teil für sich zu beanspruchen, gerät er mit den 10 Kätner in Konflikt. Diese sehen sich in ihren althergebrachten Rechten beschnitten und fürchten nun, in dem ihnen viel zu klein erscheinenden, neu zubemessenen Teil sich um ihre Existenz gebracht. Sie reichen darüber eine Beschwerde bei der Königlichen Regierung in Ratzeburg ein, doch diese wird abgelehnt.

So klagen sie 1791 beim Britischen König: „Jedermann weiß es noch, was es für Bauern, für wohlhabende Leute in Blystorff gegeben, entweder aus Großmuth aus Zagheit oder aus Mangel an Justiz unserer Vorfahren ein nach dem andern dem ritterschaftlichen Interesse aufgeopfert hat,“ und „sind Zuschläge in dem Guthe Blystorff ein nach dem andern gemacht worden, so haben sie sich zurückgezogen mit ihren Heerden“, „wie wir nach den drei Gutsherren (J. L. v. d. Sode, M. v. d. Sode, J. V. v. Müller) von Jahren zu Jahren geschehenen Abzwackungen an Weidefreiheiten billig gegen die Vollhufner nach Kopfdienst Ordnung mahl wieder egalisiert werden müßen“, auch sei man schlechter gestellt als in den königlich/fürstlichen Domainen. Ihre königliche Majestät möge sie wieder in ihre alten Rechte zurück versetzen oder zumindest, weil man sie steuerlich einem Viertelhufner gleich gemacht hat, dafür sorgen daß sie ebensoviel Land bekämen.

Die 10 Kätner mußten 1765 noch 3 Tage Handdienste in der Woche leisten. Davon wird man 1789 auch noch nicht abgegangen sein, denn es wird ihnen im Gegensatz zu den Hufner immer noch keine Aussicht auf Befreiung von den Hofdiensten gestellt. Abgabenmäßig war man zwar mittlerweile spätestenz seit der Egalisierung von 1735-1744 einem Viertelhufner gleichgestellt, aber ein Kätner besaß weniger als ein viertel an Ackerland wie ein Hufner, und jene besaßen noch zusätzlich 14 Morgen Weideland und 20 Morgen Heide. Eben diesen Unterschied dachte man damals durch die Egalisierung mit den noch verbliebenen Rechten in der Gemeinen Heide auszugleichen.
Sicherlich hatten die Kätner es in den letzten Jahren mit ihrer Pferdehaltung in der Heide etwas übertrieben und jetzt mit der zusätzlichen Konkurenz durch die Herrschaft war die Heide 1790 einfach überweidet, so daß das Vieh zu verhungern drohte oder man es verkaufen mußte. Auch warf man der Herrschaft vor, daß diese es nicht verstünde wie auf Moorweiden zu wirtschaften sei und es auch deshalb zu dieser elendigen Situation gekommen sei.

Die überzähligen Pferde hielt man, um sich in der kalten Jahreszeit durch das Fuhrgeschäft einen Nebenverdienst zu sichern oder den Fuhrleuten im schwerbefahrbahren Bliestorfer Sand mit Zusatzgespannen gegen Lohn auszuhelfen.

Das Ersuchen wird am 05. November 1791 abgelehnt. Es wird damit begründet, dass die Kätner selbst das Recht der Hufner und der Herrschaft an der Heide nicht bestreiten und dass der daraus enstandene vorübergehende Vorteil bisher alleiniger Nutzer der Heide gewesen zu sein, kein Anspruch wäre den man geltend machen könne.

1809 kauft dann Henning von Rumohr jun. die von den Kätnern genutzte Freiweide auf und drei Jahre später erfahren wir aus den Hypothekenbüchern der Mairie Castorf von 1812, dass es die Kätnern tatsächlich geschafft haben bei den Ackerflächen ein Verhältnis von 1:4 (14 Morgen : 56 Morgen) durchzusetzen.

1817 werden dann auch endlich die Kätner von den Hofdiensten befreit und in Erbpacht gesetzt. Damit ist das, was man allgemein als Verkoppelung bezeichnet in Bliestorf abgeschlossen.

Die Bliestorfer Verkoppelung unterscheidet sich erheblich von jener die z B. im Amt Steinhorst oder auch in anderen lauenburgischen Gebieten vorgenommen wurde. Nicht nur dass sie schon viel früher begann (1735), so scheint auch die Lübecker Kämmerei aus merkantilistischen Bestreben heraus die Anweisung dazu gegeben zu haben. Selbstredend ist die Bliestorfer Verkoppelung geprägt durch gutswirtschaftliche und gutsherrliche Interessen und stark am übrigen Lübecker Umland orientiert. Das erklärt sich allein daraus, das Bliestorf ja bis 1747 zu Lübeck gehörte. Wahrscheinlich kam schon ein ausgearbeitetes Programm zur Anwendung, dass allerdings noch nicht so ausgereift war, wie das Steinhorster Modell. Bedauerlicherweise liegen aus Rondes­hagen, Kastorf und Grinau keine Ergebnisse zur Verkoppelung vor, die die damaligen Gründe und Vorgehensweisen weiter erhellen könnten. Bäuerliche Interessen waren wohl jedenfalls nicht die Triebfedern der Bliestorfer Verkoppelung.